"Das ständige Angebaggere hat aufgehört, die Maske erleichtert mein Leben, schon ein Stück weit."
- Sabina
- 18. Apr. 2021
- 4 Min. Lesezeit
Interview mit Sabina (22):
V (ich):
Du hast mal erzählt, dass seit der Maskenpflicht im öffentlichen Raum, es nicht mehr permanent vorkommt, dass Männer versuchen über Gestik, Mimik aber auch durch Ansprechen und Näherkommen versuchen Kontakt zu Dir aufzunehmen, Zitat war glaube ich:
Das ständige Angebaggere hat aufgehört, die Maske erleichtert mein Leben, schon ein Stück weit.
Ich habe mich dann gefragt ; wie war das denn vorher?
S(abina):
Ja also tatsächlich war das vorher wirklich so, dass im Intervall von mindestens einer Woche; was ein persönlicher Erfahrungswert von mir ist den meine Freundi:nnen jedoch teilen,
so dass ich mindesten einmal die Woche angegraben werde, dass ich etwas hinterhergerufen bekomme. Es sind da auch manchmal respektvolle Ansprachen dabei, höfliches Fragen ob man miteinander ausgehen möchte, aber tatsächlich sind es (eigentlich immer) unangenehme Erfahrungen. Es gibt auch Phasen wo das (öfter als) täglich passiert, einfach nur weil/wenn man sich durch die Öffentlichkeit bewegt. Dass passiert mir jetzt in der Stadt wo mehr Menschen sind auch mehr als früher auf dem Land. Das ist ein großer Bestandteil meines Lebens, als auch dem meiner Freund*innen und Bekannt*innen. Viele mussten sich deshalb (wenn der Anlass so war) angewöhnen extrem unfreundlich zu reagieren, weil echt erst gezeigt werden muss das dass man sich nicht geschmeichelt fühlt wenn man an einer gruppe Männer oder Jungs vorbei laufen muss und die was anzügliches sagen.
Es geht darum:
Punkt 1: zu zeigen; Nein das gefällt mir nicht und
Punkt 2: Ich werde jetzt etwas für dich unangenehmes sage /zeigen damit in deinem Kopf abgespeichert wird, dass das nicht ohne Folge bleibt,
damit man das nicht ignoriert nicht schweigend, schüchtern bleibt und das an sich abprallen lässt um es nicht bei einer neutralen Reaktion zu belassen!
V:
Kannst Du Dich erinnern, wann das angefangen hat, dass Männer meinten sie dürften Dich weil sie dich für eine Frau halten unaufgefordert und aggressiv angraben?
S:
Meine erste Erinnerung die ich jetzt habe, war mit 14 was jung klingt. Doch nach der Statistik nehmen die meisten Frauen bereits mit 12 wahr sexualisiert zu werden.
Das war ein Erwachsener dem ich von einer Freundin vorgetellt wurde und der auf mein Alter und Nationalität mit einen Sexgestik und der Frage ;Darfst Du? agierte.' Ich habe das auch erst gar nicht verstanden, einfach mit nein geantwortet und musste das auch verarbeiten. Bis dahin ging ich da von aus von Erwachsenen als Kind gesehen zu werden dem Schutz zusteht. Ich verstehe auch diese Frage bis heute nicht, ich musste erst lernen damit umzugehen.
V:
Im Kopf überschlagen passierte Dir das (unvermittellt angegraben zu werden) jetzt seit über 8 Jahren wöchentlich also bis heute über 500 mal!
S: Mindestens!
V: Dann hast du jetzt über 500 mal erlebt dass deine Grenzen von (fremden) Männern verlezet wurden!: Das ist also ein teil deiner Lebensrealität...?!
S: Definitiv!
V: Das ist ja so im Prinzip kaum zu verarbeiten.
S: Definitiv!
Und es ist statistisch auch gut einseh- und abbildbar, dass dies die Lebensrealität vieler wenn nicht aller Frauen und Mädchen ist.
Und ich denke mir halt es gibt so unterschiedliche Charaktere, schüchterne, introvertierte. Ich würde mich selber als extrovertiert beschreiben, das war ich nicht immer, aber sich vor zu stellen, was das für eine introvertierte Frau bedeuten muss, dass permanent ihre Grenzen überschritten werden macht mir auch klar, da es (für einen grossen Teil der Bevölkerung) schlicht ein Konflikt ist der nicht aufgelöst werden kann, sich immer wieder behaupten zu müssen, sagen zu müssen so möchte ich das nicht.
Wir werden ja alle in dieser Welt Groß, und vielen Jungs und Männer wird es in der Erziehung nicht nahe gebracht dass Grenzen sehr wichtig sind und auch gespürt werden müssen. Dass Mann da sehr sensibel sein muss. Manchen liegt das weniger, sie können gar nicht einschätzen wo diese Grenzen liegen. Ich denke dazu, dass immer beide Seiten gesehen werden müssen und
an der Erziehung von Jungs und Männer angesetzt werden muss, und nicht nur an der Erziehung von Mädchen und Frauen. Das erschliesst sich (mir) einfach von der Logik her , dass es (für mich) nicht sinnvoll ist nur Frauen beizubringen sich zu behaupten, anstatt einfach an der Erziehung anzusetzten und beiden Seiten klar zu machen da muss einfach mehr aufgepasst werden und da muss ne Grenze gesteckt werden.
V:
Für dich ist der zentrale Punk, dass nicht mehr fast ausschließlich /zuvörderst daran angesetzt wird dass Frauen sich gegen grenzverletzendes Verhalten zu behaupten lernen, sondern dass die Prämisse sein sollte dass Jungs und Männer sich grundsätzlich grenzwahrend zu verhalten haben?! Also sollte es Grenzwahrungskurse für Männer geben um Selbstbehauptung-Kurse für Frauen (irgendwann) nicht (mehr) notwendig zu machen?
S:
Ich will da nichts auschliessen, die Einbeziehung beider Seiten ist wichtig, das wäre für mich dann Gleichberechtigung. Wir alle kennen Menschen denen Emapthie sehr schwer fällt, die das lernen müsssen, dafür muss das Angebot schon da sein, dass sie das lernen können. Ich finde das auch schade das Menschen denken und sagen Feminismus wäre nur für die eine Seite für Frauen*, was falsch ist denn es geht um Gleichberechtigung, wo Männer und Frauen beide im Focus stehen bzw die Beziehung zwischen den beiden. Deshalb sollte auch das Angebot für beide Seiten da sein. Ich veruche mich oft in die Sichtweise von Männern reinzusetzen, frage mich mit was diese Männern gross werden, wie die Denkweisen dieser Männer funktionieren, die Grenzen nicht respektieren und vielleicht auch gar nicht sehen. Man muss sich auch fragen:
Wo ist da das Problem? Wer trägt da mit die Verantwortung?
Und ich würde definitiv Menschen zur Verantwortung ziehen die diesen Männern das gar nicht mitgegeben haben, nicht die Möglichkeit Grenzen und nicht die Wichtigkeit von Grenzen zu sehen und sich damit überhaupt zu befassen und deswegen ist das ein großes Problem!
Und eigentlich ist es ein Anrecht das alle Männer haben das in ihrer Erziehung mitgegeben zu bekommen. Genau, dass ist eigentlich auch eine Verletzung der Rechte von Männer weil das ein menschliches Anrecht ist.

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