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"...es sind meistens Männer, die mich Feminist:in nennen, tatsächlich...": Interview mit Lara (31)

  • Lara
  • 9. Apr. 2021
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 10. Apr. 2021



Ich habe Dich ja im Vorhinein gefragt, ob Du Dich als Feminist:in definierst.

Du meintest; „Ja klar, aber vor allem werde ich als Feminist:in definiert."

Sind das eher Männer oder Frauen* die dich als Feminst:in bezeichnen?


Da ist eine interessante Frage finde ich. Es sind tatsächlich meistens Männer, die mich Feminist:in nennen oder so wahrnehmen. Und manchmal geschieht es auch erst nach einer gewissen Zeit, dass ich diese Bezeichnung bekomme. Wenn ich Leute schon länger kenne ohne das ich das jemals ausgesprochen habe, wenn es um Themen wie Gleichstellung oder Umgang mit Frauen geht.

Das zeigt sich dann in Diskussionen: ich werde angeguckt und mein Gesprächspartner sagt; „Wir wissen ja wir haben eine Feminist:in unter uns.“ Das wird so beiläufig benannt, ohne dass ich mich jemals öffentlich so bezeichnet hätte, oder ähnliches. Ja es sind meistens Männer die mich (Feminist:in) so nennen, tatsächlich. Was ich auch irgendwie gut verstehen kann, weil sie dass schneller wahrnehmen (als die Frauen, die sich mit dem Thema nicht so beschäftigen, die dahingehend blindlinks durch die Gegend laufen). Männer haben da vielleicht ein sensibleres Gespür für. Sie merken es schnell, wenn ihr Verhalten, dass sonst einfach kritiklos hingenommen wird, plötzlich interfragt wird.



Hast Du das Gefühl es (Feminist:in) ist negativ oder positiv gemeint?

NEGATIV! Wenn ich mich zurück erinnere als das (Feminist:in) zum ersten mal zu mir gesagt wurde, war das in der Mittelstufe, da war ich vielleicht 14,15, und da war das sogar noch ne Beleidigung, so „ Die Lara ist ne Feministin und die lässt sich bestimmt Achselhaare wachsen“ und lauter son Kram wurde mir gesagt. Manche haben das, was im Nachhinein ganz interessant ist, auch klar benannt: „Die Lara macht uns Angst, die Lara ist angsteinflößend“. „ Mit Lara möchte ich nicht allein in einem Raum sein!“ hat sogar mal einer zu mir gesagt. Was ich auch ein bisschen merkwürdig fand. Ich hätte auch nie alleine mit ihm in einem Raum sein wollen, aber aus anderen Gründen. Ich habe das schon früh von außen gesagt bekommen, dass ich irgendwie anders bin als meine Klassenkamerad:innen. Und ich habe auch schon früh gemerkt, dass ich mich in manchen Situationen anders verhalte als meine Mitschülerinnen, dass ich vielleicht anders das Wort ergreife, so in diesem Sinne.

Aber ich würde schon sagen, dass es eher negativ behaftet war, und teilweise auch noch immer ist. Wenn (unterschwellig) was sexistisches gesagt wird, wird dann schnell hinter her gedrückt. „Aber nicht so laut, die Feminist:in ist da.“ Als ob ich die Person wäre die dafür da ist Strafen zu verteilen, die dafür da ist Leute zu Maßregeln, die auch keinen Spaß versteht. Es ist schon so, dass mir Männer das (Feminist:in sein) als was negatives spiegeln, würde ich sagen. Bei Frauen, wenn ich das im Vergleich sehen würde, ist es nie ein großes Thema (dass ich Feminist:in) bin. Die wenigsten meiner weiblichen Bekannt:innen oder Freund:innen nennen mich so. Die sind da freier und nehmen mich so wie ich bin ohne das benennen zu müssen.



Sind die Feminist:in als welche du bezeichnet wirst und die Feminist:in als die du dich selbst bezeichnest, zwei sich völlig unterscheidende?


Ja, weil die Fremdbezeichnung ist meist von Männern die sich damit überhaupt nicht befasst haben.

In deren Vorstellung ist Feminismus etwas, was die vorherrschende Macht an sich zu reißen versucht, da geht es nicht um Gleichberechtigung, sondern darum den Männern etwas wegnehmen zu wollen. Und zum Teil haben sie Recht, denn einen Teil vom Kuchen wollen wir abhaben. Aber das bedeutet nicht ihnen alles weg zu nehmen , sondern eine Gleichberechtigung zu schaffen. Zum einen das Männer die mich als Feminist:in bezeichnen denken, dass ich Ihnen etwas wegnehmen will und mich über sie stellen möchte. Was nicht der Fall ist, ich möchte einfach auf Augenhöhe mit Ihnen sprechen. Zum anderen ist man auch in einer feindseligen Rolle gefangen, als wenn ich der Feind wäre und Ihnen was Böses wollen würde. In dieser Rolle sehe ich mich (auch) nicht. Ich versuche eher eine Ausgewogenheit herzustellen, oder sehe mich viel mehr selber in der Rolle Missstände oder Ungleichheiten aufzudecken und zu verändern. Und nicht als die, die sagt: „Ey , Du bist ein Mann und deshalb von Grund auf schlecht und alles was Du hast nehm Ich Dir jetzt weg“. So wird das von Männern teilweise wahrgenommen und so gemeint werde ich dann auch als Feminist:in definiert.

Ich erinnere mich an viele Auseinandersetzungen mit Männern, die mich davon überzeugen wollten, das ich übertreibe oder der Sachverhalt den ich beschrieb nicht ungerecht sei. Es ist immer wieder amüsant wenn nicht betroffene einem erklären wie Frau sich zu fühlen hat.

Wie ich mich selber in dieser Rolle beschreiben würde, ist immer ein bisschen schwierig finde ich, weil ich das eigentlich noch nie gemacht habe, ich habe mich so noch nie wirklich beschrieben. Ich lese relativ viel von und über Frauen* die sich selber als Feminist:in bezeichnen, über die Jargons und Fachbegrifflichkeiten die da sind. Es gibt extrem viele Diskurse über alle möglichen Themen., von Prostitution und Sexarbeit bis zu Bekleidung oder das Tragen eines Kopftuches. Da gibt es ja extrem viele Debatten die geführt werden und es gibt auf diese Thematiken auch extrem viele feministische Sichtweisen. Ich versuche mich davon ein bisschen frei zu machen, mich da in eine Rolle drängen zu lassen, dass ich eine Feminst:in bin die prinzipiell Prostitution ablehnt, die totale Kopftuchgegener:in ist usw. Ich bin aber auch keine absolute Befürworter:in von Sexarbeit oder finde das auch nicht absolut unproblematisch. Ich habe manchmal das Gefühl, dass es diese Lager gibt innerhalb von feministischen Diskursen. Und ich kann mich da irgendwie nirgendwo so richtig zuordnen , ich bin immer so hin und her. Manchmal lese ich Sachen wo ich denke;

Ja, genau! Ich sehe das genauso, und welche Frau verkauft denn freiwillig ihren Körper, wenn sie die Wahl hätte etwas anderes zu tun. Und dann denke ich wiederum; Naja, gut, aber ich muss es auch respektieren können, wenn es ihre freie Entscheidung ist das zu wollen, muss ich das auch annehmen können ohne mir anzumaßen das so zu beurteilen, dass sie eigentlich was anderes will.



Für Männer hat die Positionierung pro oder contra Sexarbeit/Prostitution spannender weise gar keine Konsequenzen, dass wird beides direkt akzeptiert scheint mir, dabei sind sie es welche die Freier darstellen.


Den Druck mich da gut zu positionieren mache ich mir ja auch selbst. Den denke ich mir selber aus weil ich über das Ambivalente in der Diskussion nachdenke und überlege wie stehe ich dazu, was denke ich darüber und die Argumente in meinem Kopf durch gehe.

Bei Männern würde eine Entscheidung pro/contra Sexarbeit/Prostitution ja tatsächlich auch was ändern, bei Frauen eher nicht so. Es wird hingenommen dass Männer da gleichgültig sind. Und bei Frauen ist das stärker diskutiert und es ist auch deutlich hitziger, wenn ich mit Frauen, als wenn ich mit Männer darüber spreche.

Ich finde das ist bei anderen feministischen Themen auch irgendwie was, dass nicht so einfach mit ja oder nein oder dafür oder dagegen beantwortet werden kann. Es gibt verschieden Ebenen, verschiedene Einflüsse, deswegen fällt mir das auch schwer und ich bin da auch son bisschen am hadern mit mir wie ich darüber denken soll, wie auch nicht...manchmal verunsichert mich dieser Diskurs schon ein bisschen.

Aber trotzdem auch wenn dieser Druck da ist rede ich lieber mit Frauen darüber als mit Männern. Tatsächlich. Auch wenn Männer da befreiter drüber sprechen können, rede ich da lieber mit Frauen drüber, weil das die Gruppe ist, die es betrifft.


Betrifft es andere feministische Themen auch, dass Du die lieber mit Frauen* als mit Männern besprichst?


Ja, ja, ja, ja, ja. Es gibt schon einige Sachen die ich lieber mit Frauen bespreche, und da habe ich auch das Gefühl, dass es da mehr Verständnis für unterschiedliche Sichtweisen gibt.

Das hat aber auch damit zu tun in was für Kreisen sich bewegt wird und mit wem was besprochen wird. Wenn ich zum Beispiel auf der Arbeit (im sozialen Bereich) mit meinen männlichen Kollegen spreche, ist da eine deutlich differenzierte Meinung, was Theme wie z.B CatCalling ( hinterherrufen auf der Straße) angeht. Ich erwarte das aber auch im sozialen Bereich, dass die Leute da ein bisschen sensibler sind. Aber wenn ich mir überlege das Ich mit ner Runde Männern in der Kneipe darüber diskutieren müsste, dann würde ich tatsächlich ne Runde Frauen* bevorzugen. Weil ich das Gefühl habe, dass selbst wenn sie sich nie damit beschäftigt haben, aus ihrer Intuition heraus, mehr bei rumkommt, eben aus den eigenen Erfahrungen heraus als Betroffenengruppe. Ja das würde ich dann präferieren. Wobei mich auch oft auch die männliche Sicht darauf interessiert, weil ich mich frage was denkt mein Gegenüber eigentlich darüber? (Manchmal trauen die sich auch gar nicht was zu sagen.)


Cut -------- Extended -------aus dem Nachgespräch:


Catcalling als Alltag für Frauen war in dem Interview mit Sabina ( das noch kommt) ja ein zentrales Thema.....

Das erleben so viele Frauen* Woche, für Woche, aber keine redet drüber weil dass so Alltag ist, wie Sabina gesagt hat. Das ist Alltag für uns, wir haben das hingenommen und lassen das über uns ergehen, und machen nix. Manchmal gebe ich den Männern auch ne Antwort und sage denen irgend was, Fick Dich oder keine Ahnung, irgendwas. Aber es kommt immer ganz darauf an. Letzte Woche ist mir das in einer ganz engen Gasse passiert, da war ich dann lieber still, weil ich nicht wusste wie reagiert der jetzt wenn ich Ihm einen Spruch drücke. Aber manchmal reicht es mir auch, wenn ich nur irgendwo vorbei laufe und ein Typ sagt mir : „ komm her und blas mir einen“ einfach so aus dem nix – ohne Grund – dann werde ich auch sauer einfach und dann sag ich auch manchmal was, was relativ unüberlegt ist weil er mir körperlich überlegen wäre. Aber danach fühlt es sich schon gut an wenn ich irgendwas gesagt habe. Das ist absurd, das ist wirklich absurd!


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