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Ist Heterosex (hetero)sexistisch

  • Autorenbild: marmelade schade
    marmelade schade
  • 6. Sept. 2020
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 18. Nov. 2020


Ist heterosexueller Sex (hetero)sexistisch?

Dieser Artikel möchte keine anderen Thesen widerlegen, sondern hofft, zusätzliche Perspektiven auf die, und aus der, menschlichen Sexualität entwickeln zu können. Dass es in diesem begrenzten Rahmen argumentative Leerstellen und Faktenlücken geben wird, ist nicht zu vermeiden. Die Fragen sind die nach der Bedeutung heterosexueller Sexualität. Gibt es so etwas wie heterosexuelle Sexualität und ist diese automatisch oder teilweise (hetero)sexistisch? Der Autor sieht folgende Aspekte der Heterosexualität als zentral an:

Heterosexualität ... '

sortiert alle Menschen in zwei Gruppen: Jene mit Penis, Hoden, Prostata und jene mit Vagina, Klitoris und Busen und nennt diese ohne Rücksicht auf Selbstbestimmung Mann und Frau. '

ist somit die Aufteilung von Menschen nach den zugeschriebenen Geschlechtern Mann und Frau sowie die Annahme der Ausschließlichkeit des anderen Geschlechts in der Liebes- und SexualpartnerInnenwahl (nicht-cis-Menschen existieren innerhalb dieses Systems nicht). '

kann (noch) nicht als freigewählt bezeichnet werden, da die Verneinung dieser noch immer erhebliche, wenn nicht gar extreme Konsequenzen für jedes Individuum hat. Wer heterosexuell lebt, schließt alle Menschen mit diesen oder jenen körperlichen Eigenschaften aus seinem „praktizierten“ Lieben und Begehren aus.

Sexualität ... '

ist die einvernehmliche Stimulation von Menschen über die Auslösung körperlicher und körperlich orientierter Empfindungen (nicht einvernehmliche Körperlichkeiten bedeuten Gewaltanwendung und nicht Sexualität, höchstens sexualisierte Gewalt). 1

Heterosexuelle Sexualität ist hier Sexualität und/oder Liebe und/oder Partnerschaft zwischen Mann und Frau (wie oben definiert).

Heterosexistisch ... 2

ist zum ersten die Auswahl eines (oder mehrerer) Sexualpartner(s) auf Grundlage von Körperlichkeiten. Der Hälfte der Menschen wird abgesprochen, jemanden in emotionaler und/ oder sexueller Weise bereichern zu können, ist, wer grundsätzlich nur ein Geschlecht zulässt und somit der heterosexistischen Logik folgt, dass Männer und Frauen bestimmte Dinge in bestimmten Kontexten tun oder nicht tun sollen und umgekehrt.

Ja und?

Zwar findet Liebe und Sexualität großteils im privaten Raum statt und ist somit vielleicht kein politisches Statement. Doch zum einen findet Heterosexualität tatsächlich auch öffentlich statt und zum anderen ist es unwahrscheinlich, dass, wenn in einem recht gewichtigen Lebensbereich wie Liebe und Sexualität über 50 % der Menschen ausgeschlossen sind, sich dies nicht in anderen Lebensbereichen widerspiegelt. Zudem ist es für eine erfüllende Sexualität doch fragwürdig, Körper die dem eigenen ähneln als unsexuell abzuqualifizieren. Weil dies hieße, dass Selbstbegehren abzuwerten und das Begehren des Sexualpartners als nicht geteilt zu sehen. Es mag gut möglich sein, dass Heterosexualität immer sexistisch bleibt, wenn keine sexuellen oder Liebesverhältnisse mit anderen Personen anderer Zuschreibungen (Pan-/Homo-/Bi-/Trans-/Intersexualität) dazu kommen. Die Frage, ob Monogamie ausschließend und somit diskriminierend ist, weil sie homo-, bi-, trans-, inter-, pan- oder heterosexuelle Begegnungen ausschließt, ist jedoch ein eigenes Thema.

Heterosexuelle Sexualität

Wenn heterosexuelle Sexualität sich darauf beschränkt, dass nur die Frau empfängt, das heißt, der Penis, Finger, Spielzeuge in Mund, Anus und Vagina eingeführt werden, während im Gegensatz der Mann durch äußere Stimulation, also Oral-, Vaginal- oder Analverkehr stimuliert wird, ist sie (hetero)sexistisch, weil Menschen eine bestimmte Art Sexualität auf Grund vorausgesetzter Attribute aufgezwungen wird. Dem Mann wird die Sexualerfahrung vorenthalten, etwas innerhalb des Körpers zu spüren. Der Frau wird vorenthalten, in Ihren Sexualpartner einzudringen. Für die männliche Sexualität bedeutet dies, dass Sexualempfinden körperlich außen bliebe, nicht unter die Haut ginge. Sexualität beschränkt sich auf Körperstellen, die er sehen kann, eine Restkontrolle bleibt, Hingabe wird dadurch reduziert. Für die weibliche Sexualität bedeutet dies Aufzunehmen, als Gefäß zu dienen, und gleichzeitig nicht in den Partner eindringen zu dürfen Der Anus ist voller Nerven, die Sexualreize empfangen können. Zudem befindet sich die Prostata direkt am Enddarm, wodurch sie durch den After zu berühren ist. Die Prostata ist für den männlichen Orgasmus und die Ejakulation ein zentrales Organ. Es ist sogar möglich, Orgasmen ohne Berührung des Penisses über die Stimulation der Prostata zu haben. Ein Ausschließen der Prostatastimulation bedeutet quasi, ein Sexualorgan aus der Sexualität auszuschließen. Tatsächlich ist es fraglich, was es für eine gleichberechtigte Sexualität bedeutet, wenn Männer nur penetrieren und Frauen nur penetriert werden, zumal beiden Seiten damit Erfahrungswelten weggenommen würden. Die körperlichen Grenzen von Frauen werden passierbar gemacht, die von Männern nicht. Wenn Sexualität eingeschränkt wird, bestimmtes Lustempfinden ausgeschlossen wird, um konstruierten Vorstellungen von Geschlechtern zu entsprechen, ist dies im mindesten heterosexistisch. Es ist tatsächlich sexistisch, da es Menschen auf Grund ihrer Geschlechtszuschreibungen Erfahrungen vorenthält. Die Kernfrage, die sich hieraus ergibt: Muss der Mann seinen Penis in die Frau einführen, darf die Frau nichts in den Mann einführen? Das darf zum Glück jedeR in jedeR Situation selbst entscheiden! Es muss sich aber auch jedeR selbst ehrlich die Frage beantworten, wie es sich auf das Denken und Handeln im politischen Raum auswirkt, wenn die Sexualität zwischen Mann und Frau als „Mann muss Frau penetrieren“ und „Frau soll den Mann nicht penetrieren“ definiert wird. Die Geschlechterverhältnisse werden damit in diesem Bereich hierarchisch zementiert. Wer sich selbst glaubt, dass er in einem Lebensbereich Geschlechterverhältnisse reaktionär und in anderen progressiv leben kann, dem sei hiermit herzlichst gratuliert. ;) !

Uwe Kretschmer

1 Da der Focus dieses Artikels auf cis-Männern und cis-Frauen in heterosexuellen Verhältnissen liegt, wird von Männern und Frauen gesprochen. Die Unterteilung von Menschen in diese Kategorien wird vom Autor jedoch als nicht richtig erachtet. Dieser Artikel soll eben einen Ansatz zur Überwindung der Geschlechterverhältnisse bieten, die beschrieben werden.

2 Dass Frauen keinen Penis zum Penetrieren haben, wird als Gegenargument hier nicht geltend gemacht, da es unterstellt für Frauen sei Sexualität nur praktizierbar, wenn sie dabei mit dem penetrierenden Körperteil zum Orgasmus kommen könnten. Zudem ist dieses Sexualverständnis homophob und phallozentrisch, da es Sexualpraxen ohne Penis die Vollständigkeit abspricht.

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